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Transit City: Die Stadt als Warteraum für eine bessere Zukunft

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mquadrat_01Städte sind Zukunftslabors, in denen die Zukunft jeden Tag von neuem entsteht – in den Hinterhöfen und Kreativ-Hubs, in Science Labs und an verschmierten Graffiti-Wänden. Von allen Treibern der städtischen Transformation – gesellschaftlicher Wandel, Interkonnektivität, Standort-Wettbewerb und Better Life – halte ich den sozialen Aspekt für den wichtigsten.

Die Smart City (die vernetzte Stadt, in der alles mit allem interagiert) mag das Gewebe der Stadt verändern, ihre Nervenbahnen und Mobilitätsketten. Die sozialen Umbrüche – derzeit durch die Flüchtlingswellen verstärkt – verändern jedoch die europäische Stadt in ihrer DNA und in ihrem kulturellen Selbstverständnis.

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Städte sind Soziotope und der globale Mensch ist ein Nomade – immer im Transit. Die Flexibilisierung der Lebensstile – beschleunigte Lebenszyklen, serielle Monogamie in Job- und Privatleben (die Millennials wechseln alle 18 Monate ihren Job und somit potentiell auch ihren Wohnort) – erfordert von Organisationen und Individuen eine hohe Fluidität. „Gelungenes Leben besteht in gelungenen Umzügen“, doziert der Philosoph Peter Sloterdijk (der selbst Jahraus, Jahrein auf seinem Fahrrad durch Karlsruhe ins Büro radelt).

m_crowdDas Provisorische wird zur Konstante, die Pop-up-Semantik zur alltäglichen Vertrautheit. Für immer mehr Menschen werden die Zwischenräume zu Oasen ihres nomadischen Lebens, die Bahnhöfe und U-Bahn-Stationen, die Airport-Lounges und Straßencafés, in denen man sich kurz auflädt und Freunde trifft – die digitalen Oasen auf Instagram & Co verstärken die Sehnsucht nach physischen Kommunikations-Räumen und haptischen Erlebnissen.

Alles fließt (wenn man nicht gerade im Stau steckt), alles ist im Transit. Auch unsere sozialen Beziehungen werden vielfältiger und volatiler. So lebt in den OECD-Ländern jedes

  • zehnte Kind in einer Patchwork-Familie
  • siebte Kind in einem Alleinerzieher-Haushalt
  • 15. Kind bei seinen Großeltern.

Immer kleinere Haushalte und immer größere Wohnflächen (2030 sind es in Deutschland 47 m² pro Kopf) sind die Folge, immer neue Mobilitätslinien durchziehen die Stadt-Regionen.

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Die großen Game Changer der städtischen Transformation aber sind die Migranten. Ein Drittel der Menschheit zieht es weltweit vom Land in die Stadt, meist in die großen Ballungsräume, die mit ihrer „Agglomerations-Ökonomie“ eines versprechen: Jobs, Jobs, Jobs. 214 Millionen Migranten sind derzeit weltweit unterwegs, 117 Millionen Menschen im OECD-Raum wurden im Ausland geboren (und wir reden da noch nicht von den aktuellen Flüchtlingen!).

20,3% der Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, in vielen Städten – und nicht nur in den großen Metropolen – sind es deutlich mehr. So leben etwa in Mannheim bereits heute 38% Menschen mit Migrationshintergrund (die Stadt hat übrigens ein vorbildliches kulturelles Diversity-Management). Der Gastarbeiter von einst sollte kommen und wieder gehen – der von heute bleibt und wird zum Akteur der Stadt-Gesellschaft.

Die Stadt als „Arrival City“, wie sie Doug Sanders nennt, ist nichts als ein riesiger, chaotischer Warteraum auf eine bessere Zukunft. Und in diesen Transitraum drängen nun vehement die Flüchtlinge:

  • 60 Millionen Flüchtlinge sind es weltweit (2014)
  • 800.000 Asylsuchende werden in diesem Jahr für Deutschland, 80.000 für Österreich prognostiziert.

refugee_2Diese – in ihrer Wucht unerwarteten – Flüchtlingsströme erfordern nicht nur Mitgefühl und humanitäre Erstversorgung, sondern ein nachhaltiges strategisches Migrations-Management. Denn die Ressourcen sind in vielfacher Hinsicht begrenzt (der Bedarf an jungen, qualifizierten Migranten jedoch ist da), Kommunen sind überfordert. So kämpfen etwa die Asylsuchenden künftig mit anderen Anspruchsgruppen (sozial Schwache, Studenten etc.) um den ohnehin knappen leistbaren Wohnraum. Hier nicht nur Containerbauten und modulare, sondern nachhaltige Wohnräume zu entwickeln, ist eine der Herausforderungen. Deutschland braucht, so eine aktuelle Studie des Prestel-Instituts, bis 2020 mindestens 400.000 neue Wohnungen pro Jahr (davon 80.000 Sozialwohnungen).

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Die Flüchtlinge sind Teil einer Mega-Transformation hin zur kulturellen Diversität Europas, die strategisch gesteuert sein will. Faire Verteilung innerhalb der EU, rasche Integration der Flüchtlinge in Schule und Erwerbstätigkeit, schnelle Anerkennung von Bildungsabschlüssen (Migrationspolitik ist auch Talente-Marketing und nicht nur Humanitas). Auch sollten Flüchtlinge primär nach Job-Kriterien und nicht auf Grund von kostengünstigem Wohnraum angesiedelt werden, also an Industrie-Standorten bzw. auch in touristischen Destinationen, wo händeringend nach Arbeitskräften gesucht wird. Natürlich gibt es auf diesem Weg zur Integration eine Menge an Problemen (abgesehen von unappetitlichen rechtspopulistischen Rülpsern). Den – ernst zu nehmenden – Ängsten in Teilen der Bevölkerung, die sich überrannt fühlen, muss die Politik mit einer europäischen Gesamtstrategie und umsichtigen Kommunikation begegnen.

CIMG2515In einer globalen Gesellschaft aber – und das muss gelernt werden – sichert kulturelle Diversität unser aller Zukunft: „Moderne Gesellschaften beruhen nicht auf Solidarität, die aus Ähnlichkeit erwächst, sondern auf Solidarität, die auf Verschiedenheit und gegenseitiger Abhängigkeit fußt“ (Bertelsmann-Stiftung).

Andreas Reiter hielt vor kurzem einen Vortrag in Stuttgart auf der Jahrestagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung über die Stadt im Umbruch.

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Interview Andreas Reiter zum Thema Wohnen in Wien: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/chronik/?em_cnt=788213&em_cnt_page=2


Einsortiert unter:Gesellschaftlicher Wandel, Urban Future

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